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Fragen an Claudia Henke zum Thema Workers‘ Buyout

>> Warum engagierst du dich für das Thema genossenschaftliche Unternehmensnachfolge?
Ich engagiere mich dafür, weil eine gelingende Unternehmensnachfolge eines der drängendsten Probleme unserer Zeit ist. Es ist heutzutage einfach nicht mehr automatisch so, dass ein gut funktionierender Betrieb innerhalb der Familie an die nächste Generation weitergegeben wird oder externe Nachfolgende übernehmen. Die demographische Entwicklung ist dabei ein wichtiger Faktor, aber es kommt speziell in Deutschland noch die Tatsache hinzu, dass wenig Begeisterung in Sachen Gründung und Selbständigkeit besteht. Wenn die Nachfolge nicht rechtzeitig geregelt werden kann, stehen viele Betriebe vor der Schließung. Und wenn das gut funktionierende Betriebe betrifft, dann sind Arbeitsplätze und teilweise auch Lebensgrundlagen für ganze Regionen in Gefahr.

>> Inwiefern bietet genossenschaftliche Unternehmensnachfolge hier eine Lösung?
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass eine genossenschaftliche Unternehmensnachfolge eine nachhaltige Lösung für das Nachfolgeproblem darstellt. Genossenschaften bieten die einzigartige Möglichkeit, Unternehmen in die Hände derjenigen zu legen, die am besten verstehen, wie sie funktionieren – ihre Mitarbeitenden. Dies sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern bewahrt auch die Unternehmenskultur und stärkt die regionale Wirtschaft.

>> Warum glaubst du, dass das Thema so viel Potenzial hat?
Das Potenzial ist enorm, vor allem wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich rund 125.000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor der Frage der Nachfolge stehen. KMU machen rund 99 % unserer Wirtschaft aus. Oftmals findet sich jedoch niemand innerhalb der Familie, der/die den Betrieb übernehmen möchte oder kann. Externe Nachfolgelösungen durch Verkauf haben häufig einen starken Einfluss auf die gelebte Unternehmenskultur. Genossenschaftliche Nachfolgen bieten hier eine stabile Alternative, die sowohl wirtschaftlich als auch sozial vorteilhaft sein kann.

>> Wie sieht erfolgreiche genossenschaftliche Unternehmensnachfolge im Sinne eines Workers’ Buyout aus?
Workers’ Buyout heißt, dass die Belegschaft das Unternehmen kauft und gemeinsam weiterführt. Eine erfolgreiche genossenschaftliche Unternehmensnachfolge beginnt mit einer gründlichen Planung und Vorbereitung. Es ist wichtig, Inhaber:innen sowie die Belegschaft frühzeitig in den Prozess einzubeziehen und transparent zu kommunizieren. Der Impuls kann von den Inhabenden ausgehen, aber genauso von den Mitarbeitenden. In Italien gibt es zahlreiche Beispiele für Workers‘ Buyout. Das Modell bewährt sich dort seit Jahrzehnten. Die oose eG in Hamburg ist hier etwa als ein gutes Beispiel zu nennen. Vor mehr als 10 Jahren wurde der Betrieb erfolgreich in die Hände der Mitarbeitenden übergeben. Wenn schon Strukturen vorhanden sind, die die Verantwortungsübernahme und Mitbestimmung durch die Belegschaft im Betrieb ermöglichen bzw. stärken, bildet das eine gute Grundlage für eine genossenschaftliche Umwandlung. Dann kann man auch das Thema Finanzierung oder die Details der neuen Organisationsform gemeinsam lösen. Wichtig ist, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und sich mit dem Modell identifizieren können.

>> Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer genossenschaftlichen Nachfolge?
Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich die Finanzierung. Es erfordert oft erhebliche finanzielle Mittel, um ein Unternehmen zu übernehmen, und nicht alle Mitarbeitenden verfügen über das notwendige Kapital. Hier können staatliche Förderungen und Unterstützungen von Banken und anderen Finanzinstituten helfen. Ein weiteres Hindernis ist das fehlende Wissen über genossenschaftliche Strukturen und deren Vorteile. Daher ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten und Best-Practice-Beispiele zu präsentieren. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partner:innen und Berater:innen ist ebenfalls entscheidend, um den Prozess erfolgreich zu gestalten.

>> Italien wird oft als Vorbild beim Thema Workers’ Buyout genannt. Was können wir von diesem Vorbild lernen?
Italien hat in der Tat eine lange Tradition und viele erfolgreiche Beispiele von Workers’ Buyouts. Dort haben sich spezielle Mechanismen entwickelt, wie etwa der Einsatz von genossenschaftlichen Fonds, die Übernahmen finanzieren und unterstützen. Diese Fonds bieten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch Beratung und Schulung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die gesellschaftliche Akzeptanz und das Bewusstsein für die Vorteile von Genossenschaften. In Italien genießt das Modell hohes Ansehen und wird aktiv gefördert. Diese Ansätze könnten auch in Deutschland übernommen und angepasst werden, um den Prozess der Unternehmensnachfolge durch die Belegschaft zu erleichtern und erfolgreicher zu gestalten.

>> Inwiefern unterstützt die Platform Cooperatives Germany eG Unternehmen bei der Nachfolge?
Wir haben bereits vor Jahren angefangen, an diesem Thema zu arbeiten. Für das Land Brandenburg etwa haben wir mit “Workers’ Buyout Brandenburg” ein beschäftigungspolitisches Instrument entwickelt. Gemeinsam mit italienischen Projektpartner:innen haben wir im Rahmen eines Entwicklungsprojektes das Modell für die Nachfolge weiterentwickelt und beleuchtet, wie sich genossenschaftliche Unternehmensnachfolge innerhalb lokaler Ökonomien auswirken.
Wir bieten Workshops an, um Interessierte an das Thema heranzuführen. Und wir arbeiten aktiv an der Umwandlung von Unternehmen mit, so wie momentan mit Roterfaden, einem kleinen Unternehmen aus dem Saarland. Diese Arbeit wurde aktuell von der ZDF-Dokumentationsserie plan b dokumentiert und ist über die ZDF-Mediathek abrufbar. Hier kann man einen guten Überblick zum Thema genossenschaftliche Unternehmensnachfolge bekommen.

>> Danke für diese wertvollen Einblicke. Gibt es noch etwas, das du anderen mit auf den Weg geben möchtest?
Ja, ich möchte alle Unternehmer:innen und Mitarbeiter:innen ermutigen, sich mit dem Thema genossenschaftliche Nachfolge auseinanderzusetzen. Es ist eine große Chance, nicht nur die Arbeitsplätze und die Unternehmenskultur zu erhalten, sondern auch aktiv die Zukunft des Unternehmens mitzugestalten. Mir ist es auch wichtig, zu unterstreichen, dass die wenigen Unternehmen, die in Deutschland mit diesem Modell arbeiten, echte Pionierarbeit leisten. Unternehmen wie oose, Iteratec oder Roterfaden bauen die Genossenschaften von morgen. Sie orientieren sich konsequent an internationalen, genossenschaftlichen Werten und Standards, etwa wie von der International Cooperative Alliance (ICA) beschrieben. Diese Unternehmen sind die besten Beispiele dafür, dass die Weiterführung eines Unternehmens durch die Mitarbeitenden keine soziale Utopie, sondern gelebte Wirklichkeit sein kann.

Beitragsbild: Jason Goodman, Unsplash

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