Social Economy Berlin Fachtagung 2025
Im Rahmen der Social Economy Berlin Fachtagung 2025 gestalteten Ela Kagel und Andreas Arnold von der Platform Coops eG den Workshop „Moving Money Together – Peer-to-Peer-Finanzierung für Sozialunternehmen und Genossenschaften“ (Link zur Präsentation). Die Veranstaltung am 17. Juli in der IHK Berlin stand unter dem Motto: „Together! Mehr Wirkung durch Kooperation“ und versammelte über 100 engagierte Teilnehmende, die neue Wege für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft diskutierten.
Nach der Begrüßung durch Jonas Nipkow (SEND e.V.)und Heike Birkhölzer (TechNet Berlin e.V.), Stefan Spieker (IHK Berlin) und Susanna Krueger (SEND e.V.) begann der Tag mit inspirierenden Impulsen und zwei Workshop-Blöcken. Die Veranstaltung bot einen umfassenden Einblick in aktuelle Ansätze der Sozialökonomie, von Wirkungsmanagement über Diversitätsgestaltung bis hin zu kreativwirtschaftlichen Perspektiven. Auch Franziska Giffey, Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, bekräftigte ihre Unterstützung für eine kooperative und sozial gerechte Wirtschaftspolitik.
Im zweiten Workshop-Block bot unser Format eine praxisorientierte und systemisch gedachte Perspektive auf Finanzierung: nicht als etwas, das von außen kommt, sondern als ein Potenzial, das wir von innen heraus gemeinschaftlich entwickeln können.
Workshop-Ablauf und Inhalte
Seit 2019 unterstützt Platform Coops eG Sozialunternehmen und Genossenschaften beim Aufbau kooperativer Strukturen. Unsere Arbeit wurde möglich durch Förderprogramme wie IGP, REACT with impact, Nachhaltig Wirken oder die gezielte Unterstützung von Social Economy Berlin. Durch diese Programme konnten Beratungsangebote kostenlos angeboten werden – nicht nur für uns, sondern auch für viele Partnerorganisationen wie die Freelancer-Genossenschaft Smart oder den genossenschaftlichen Wissensmarktplatz haqoo.
Doch die letzten ein bis zwei Jahre markieren eine Zäsur: viele Programme laufen aus, und neue Förderungen sind derzeit nicht in Sicht. In dieser Situation rückt die Frage ins Zentrum: Wie kann Finanzierung gemeinschaftlich getragen und selbst organisiert werden?
Unser Workshop verfolgte das Ziel, in drei Phasen neue Perspektiven auf Peer-to-Peer-Finanzierung zu entwickeln:
Phase 1: Geld poolen & Konsumverhalten bündeln
Ausgangspunkt war die Frage: „Wie viel Geld steckt eigentlich schon in unserem Alltag, das wir nur anders bündeln müssten?“ Wenn staatliche Gelder versiegen, liegt die Antwort möglicherweise im Bestehenden: Konsumausgaben, Mitgliedsbeiträge, solidarische Zahlungen.
Historische Vorbilder wie Mondragon (Spanien), Emilia Romagna (Italien), Kerala (Indien) oder Rojava (Syrien) zeigen, dass krisenhafte Situationen immer wieder kollektive wirtschaftliche Antworten hervorgebracht haben. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Mitbestimmung und demokratische Eigentumsmodelle („one member, one vote“) bilden das Fundament.
Beispiele:
- SuperCoop (Berlin): Mitglieder finanzieren mit kleinen Krediten, arbeiten mit, erzeugen Umsatz und haben volle Preiskontrolle. Ein lebendiger SSP (Shared Service Provider).
- Park Slope Coop (NYC): Mitglieder arbeiten für die Erwirtschaftung gemeinsamer Infrastruktur, z. B. neben einem eigenen Supermarkt auch einen Kindergarten.
- Community Buyouts: z. B. oose eG, Village One, The Drivers Coop.
- Taz Genossenschaft: Leser:innen sichern unabhängige Berichterstattung durch freiwillige Beiträge.
Phase 2: Klassische Finanztools in Community-Hand
Wir fragten: „Was wäre, wenn wir Finanzierung nicht als etwas denken, das von außen zu uns kommt, sondern etwas, das wir als Gemeinschaft selbst generieren könnten?“
Viele Finanzinstrumente wie Sparen, Leihen oder Schenken existieren bereits – wir wollten zeigen, wie diese gemeinschaftsbasiert, ohne Zinsen, Banken oder externe Plattformen funktionieren können.
Beispiele:
- ROSCAs: Rotierende Spargemeinschaften mit klarer Reihenfolge und Vertrauen
- Mutualitätsfonds: kollektive Versicherung gegen Risiken
- P2P Lending Plattformen: dezentrale Kreditvergabe
- Community-Banken / Genossenschaftsbanken: demokratisch organisierte Geldkreisläufe
- Beispiel Smart: SSP-Modell als B2B-Finanzierungsmodell durch Mitgliederbeiträge und gemeinsame Ressourcen
Ziel: Finanzinstrumente zurück in die Hände der Menschen holen – Vertrauen statt Bonität, Umlauf statt Akkumulation.
Phase 3: Unser eigenes Geld entwickeln
In der letzten Phase ging es um die Frage: „Warum sollten wir Geldmittel und deren Schöpfung als wichtiges Instrument einer nachhaltigen, p2p-gestützten Finanzierung ansehen?“
Die Diskussion führte von Regionalwährungen über Bitcoin bis hin zu neuen Web3-Modellen wie DAOs oder kooperativen Stablecoins. Diese Systeme erlauben nicht nur demokratische Kontrolle über Geldflüsse, sondern auch innovative Wege zur Wertebündelung.
Beispiele:
- About Circles (ex CirclesUBI): Vertrauen als Währung
- Breadchain: DAOs als Commons Infrastructure und Rendite-Mechanismus aufbauend auf synthetischem Stablecoin
- Gitcoin Grants / Quadratic Funding: kollektive Priorisierung durch Mikrozahlungen
- Stablecoins: Token-basierte Systeme mit Euro-Deckung, Rendite für das Ökosystem
Abschluss: Was wäre, wenn wir unsere eigene Währung gestalten würden, die unsere Werte, Bedürfnisse und das ökonomische Miteinander abbildet?
Learnings und Feedback der Teilnehmenden
Das Feedback war differenziert, ehrlich und inspirierend:
- Viele Teilnehmer:innen teilen die Einschätzung, dass staatliche Förderstrukturen zunehmend wegbrechen.
- Die Idee, Geld aus der eigenen Communityzu generieren, stieß auf Interesse, wurde aber auch mit Skepsisaufgenommen: „Ob das wirklich funktioniert…?“
Ein Mitglied der Smart erklärte konkret, wie Shared Service Provider im B2B-Bereich funktionieren können, während eine Mitarbeiterin der Gründerinnenzentrale / Weiberwirtschaft eG das Modell eines gemeinschaftlich gekauften und verwalteten Gebäudes als Startpunkt für ein genossenschaftliches Ökosystem aufzeigte.
Ein Teilnehmer brachte den Vorschlag ein, ob Spenden an gemeinwohlorientierte Genossenschaften ermöglicht werden sollten – insbesondere mit Blick auf Wohlfahrtsverbände, die über entsprechende Netzwerke verfügen.
Besonders spannend war die Diskussion um Umsatzströme innerhalb von Genossenschaften. Hier wurde deutlich: Wenn Mitglieder untereinander Leistungen austauschen, kann der Wertefluss unter bestimmten Bedingungen umsatzsteuerfrei erfolgen – ein Hebel zur Kapitalschonung innerhalb der Community.
Das Team von Platform Coops eG brachte den Gedanken ein, dass Genossenschaften Bedürfnisse ihrer Mitglieder adressieren und damit einen unternehmensinternen Markt schaffen. Dadurch benötigen sie weniger Kapital als Startups, die Kunden am externen Markt gewinnen müssen.
Beim Thema Geldschöpfung und eigene Währung herrschte zunächst Zurückhaltung: Viele glaubten, „das haben wir mit Komplementärwährungen alles schon mal gesehen“. Doch die Möglichkeiten von Web3 – etwa Tokenisierung, neue Renditemöglichkeiten und gemeinschaftliche Governance – überzeugten.
Die Idee eines kooperativen Stablecoins, der sowohl als Zahlungsmittel dient als auch durch hinterlegte Euro eine Rendite für das Ökosystem erwirtschaftet, wurde mit Erstaunen und Neugier aufgenommen.
Fazit: Finanzierung neu denken heißt nicht auf Geld zu warten, sondern als Community eigene Wege finden. Peer-to-Peer-Finanzierung ist kein Nischenmodell – sie könnte der entscheidende Schritt hin zu einer sozial gerechten, resilienten und gemeinschaftsbasierten Ökonomie sein.